Aufgeben ist keine Option – mein erstes Jahr als Übungsleiter und Trainer

Warum mache ich das eigentlich? Warum stecke ich hier meine Energie rein? Warum mache ich mich hier offenbar Woche für Woche zum dressierten Zirkustier, der gleichzeitig – oder viel mehr im Grunde – doch (funktionaler) Dompteur sein möchte? Doch während ich mich an die vielen, wöchentlichen Minuten des bangen Wartens, ob doch noch jemand das Dojo – und damit die Trainingsfläche – mit ihren oder seiner heiligen Anwesenheit beehren möchte, scheint es ratsam zu sein, von vorne zu erzählen.

Der Jahresbeginn 2017 offenbarte eine Krise: Auf der jährlichen Vollversammlung unserer Ju-Jutsu-Abteilung im Sportverein wurde händeringend nach einer oder einem Freiwilligen gesucht, die/der Erwachsenentraining übernehmen würde. Da ich zusätzliche Trainingseinheiten, zum Beispiel für die Gurtvorbereitung, inoffiziell bereits seit dem Sommer 2016, oftmals mit Trainingspartner Fabian, angeboten hatte, entschied ich mich – nachdem ich ein paar klare Ansagen getroffen hatte – dieses Amt als Übungsleiter zu übernehmen.

Und hier sind wir – so denke ich – bei einem ersten Learning, einer ersten Ableitung. Klare Ansagen, klare Kommunikation: Es war mir von Anfang an wichtig zu unterstreichen, welche Art von Training ich anbieten möchte, wo meine Schwerpunkte liegen würde und entsprechend womit Trainierende bei mir rechnen müssten (oder dürften). Auch Neuankömmlingen oder Probetrainierenden erkläre ich nach deren ersten Stunde ganz genau, wo meine Kernkompetenzen liegen. Das erfordert es auch, sich zunächst selbst darüber klar zu werden, wo eigene Stärken und Schwächen liegen. Was kann guten Gewissens angeboten werden in meinem Feld („Kampfsport“, „Kampfkunst“, „Selbstbehauptung und -verteidigung“), in dem sich jeder für einen potentiellen Killer hält.

Zunächst war die neue Aufteilung unter den Übungsleitern einigermaßen komfortabel, da ich mit einem weiteren Trainer am Montag rechnen konnte, die „klassisches Ju Jutsu“, wie – vor allem für Prüfungen – gern gesehen wird, anbieten konnte. Somit war es mir möglich, mich mehr oder minder zu einhundert Prozent auf mein Feld zu konzentrieren, welches selbstredend ebenfalls in Prüfungen zum Tragen kommt, aber unter Umständen etwas modifiziert oder adaptiert werden musse, damit bei älteren Herrschaften nicht die Augenbrauen zu sehr hochgehen.

Ich habe mich an anderer Stelle bereits dazu geäußert, wie die Rolle des Trainers einschätze, welche Funktion er erfüllt und welche Aufgaben er übernehmen soll, um das Team erfolgreich zu führen. Im Kern sehe ich hier sechs wichtige Hauptaspekte:

1. Er legt individuelle und Team-Entwicklungsziele fest und überlegt sich, wie man diese erreichen kann.

2. Er gibt individuell Feedback nach Trainings, Fortbildungen und Prüfungen.

4. Er erklärt, warum etwas nicht funktioniert und wie es in Zukunft besser laufen kann.

5. Er verhandelt zwischen Egos im Team. Alle sollen sich gleichermaßen entwickeln. Er ist gefordert, auch anzuzeigen, in welches Team Ihr vielleicht besser passt.

6. Er liefert Motivation, festigt Freude und Spaß am Sport. Er lebt die Begeisterung für den Sport vor, indem er sich z.B. auch außerhalb des Dojos engagiert oder sich regelmäßig fortbildet.

Nichts hat mich in diesem Jahr so sehr frustriert, wie die Inaktivität oder die Unentschlossenheit der Trainierenden, was dazu führt, dass man sich im schlimmsten Fall immer wieder die Frage nach dem Sinnhaftigkeit des Tuns als Trainer stellt. Kurzfristige Absagen, angeblich wichtigere Verabredungen oder einfach das höchst unfreundliche Totstellen in den Gruppenkommunikationen wie WhatsApp oder Facebook vermitteln mir als Coach nicht nur das Gefühl des mangelndes Respekts vor dem eigenen Amt, sondern auch dem Sport ganz allgemein sowie der Trainingsgruppe.

Aber dann gibt es auch wieder diese herrlichen Momente: Augenblicke, in denen man genau merkt, ja, JETZT hat es KLICK! gemacht – jetzt hat ein Trainierender endlich verstanden, warum etwas so und so laufen soll, es verinnerlicht und erfolgreich selbst angewendet. Oder wenn plötzlich viel mehr TeilnehmerInnen als erwartet auf der Matte stehen und man nicht zehn Mal nachfragen oder gar betteln musste, damit man nicht nur zu dritt auf der Matte steht. Auch die gemeinsamen Fahrten auf Fortbildungen, das Absolvieren der Aufgaben des Sportabzeichends oder externe Gäste – das alles sind tolle Erinnerungen.

Die Herausforderungen, vor denen wir jetzt als Abteilung und – weniger abstrakt als Gruppe von Menschen – stehen, sind während des Jahres jedoch nicht geringer geworden, im Gegenteil: Die Interim-Abteilungsleitung löst sich langsam auf, ein echter Dan-Trainer (gar noch mit – Gott bewahre – Prüferlizenz) ist nur indirekt verfügbar. Und doch glaube ich insgesamt, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind.

Die spitzen Steine, die uns immer wieder piksen, müssen einfach als Ansporn und weniger als Hindernis begriffen werden – es gibt keinen Grund, aufzugeben.Schließlich haben wir immer noch verdammt gute Voraussetzungen vor Ort. Packen wir es an. Zusammen.

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