Eugen und ich hart am Scheitern. Okay, kein Drama. Schön wäre es dennoch gewesen!
Was? Wie? Wieso? Na, für das hier!
Unser Vorschlag lautete:
Als der Historiker Alexander Demandt 1984 seine Überlegungen zu einer „kontrafaktischen Geschichte“ veröffentlichte begegnete man ihm in der Geschichtswissenschaft mit Skepsis, obgleich gerade phantastische kontrafaktische Erzählungen oft ein erstaunliches Gespür für den geschichtspolitischen ‚Zeitgeist’ entwickeln. Tritt man dem kontrafaktischen Geschichte offener gegenüber, zeigen sich ihre Vorteile: Sie kann der Geschichtswissenschaft als Gradmesser neuer veränderter ‚populärer’ Geschichtsverständnisse dienen.
Der First-Person-Shooter „Wolfenstein: The New Order“ zeichnet eine düstere Alternativ-Weltgeschichte: Der Titel spielt im Jahr 1960. Nazi-Deutschland hat die Weltherrschaft errungen. Es lassen sich in „Wolfenstein: The New Order“ recht eindeutig direkte Bezüge auf vorhergehende kontrafaktische Visionen in Filmen und Romanen erkennen. Wenn die SpielerInnen beispielsweise auf einer NS-Mondstation mit Lasergewehren gegen Wehrmachtssoldaten zu kämpfen haben, liegt der Bezug zu „Iron Sky“ nahe. Gerade der Fokus auf die Niederlage der Vereinigten Staaten wiederum greift auf Romane wie Philip K. Dicks „Das Orakel vom Berge“ und Philip Roths „Verschwörung gegen Amerika“ zurück.
Die Entwicklung einer retro-futuristischen Welt bezieht viel ihre Faszination aus den Bereichen des Steam-Punk, bedient aber zugleich auch die aus der Fallout-Reihe bekannte Nostalgie des amerikanischen „Golden Age“ der 1950er-Jahre. Zugleich ist das Spiel aber vor allem deshalb bemerkenswert, weil es in einer in digitalen Spielen bisher unmöglich geglaubten Direktheit auf den Holocaust Bezug nimmt, in gewisser Weise also eine „realistischere“ Darstellung des NS-Regimes ermöglicht als das Gros vorzensurierter Zweiter-Weltkrieg-Spiele. Eine wirklich kritische Imagination nationalsozialistischer Gräuel will dem Spiel dabei aber dennoch nicht gelingen.
Das Spiel leidet hiervor allem aber an der zu Grunde liegenden Spielmechanik. So ist der Protagonist nur in einem Ausnahmefall hilfloses Opfer; ansonsten reicht ihm ein Messer, um im Alleingang die gesamte Wärterschaft des Lagers Belica zu besiegen. Eine historiographisch-politikwissenschaftliche Analyse von Wolfenstein: the New Order ermöglicht einen ersten exemplarischen Einblick in die nach wie vor in aller Heftigkeit stattfindenden ethischen und moralischen Diskurse um die Darstellung des NS-Regimes.
Immerhin hat Eugen zu dem Themenkomplex neulich erst einen schönen Text abgefeuert. Ihr findet ihn hier.