Hörbuch „Weitlings Sommerfrische“

Wenn man all das wüsste, was man jetzt weiß…

…hätte man sicherlich einige seiner Entscheidungen im Leben anders getroffen. Wer hat sich noch nie gewünscht, noch einmal an den bedeutsamen Weggabelungen der eigenen Vita zu stehen und noch einmal wählen zu können? Wem dieses Gedankenexperiment Spaß macht, wird seine wahre Hörfreude mit Sten Nadolnys „Weitlings Sommerfrische“ haben

Hand auf’s Herz: Die eigene Jugend steckt voller seltsamer Begebenheiten – und es gibt wohl kaum einen Menschen, der alle seine juvenilen Sturm-und-Drang-Entscheidungen nicht nur ruhig hinnimmt, sondern sie noch einmal genau so durchziehen würde. Sten Nadolny hat mit der mittlerweile sprichwörtlichen Entdeckung der Langsamkeit nicht nur einen sehr prominenten Roman hervorgebracht, sondern unfreiwillig als Steigbügelhalter der Relax- und Wellness-Industrie gedient. „Weitlings Sommerfrische“, der Folgeroman stellt erneut die Institution Zeit in den Mittelpunkt seiner Handlung.

Der in Berlin lebende, pensionierte Richter Wilhelm Weitling verbringt seinen Lebensabend gerne an seinem Lieblingsgewässer, dem Chiemsee. Doch von der sonstigen Ruhe und Entspannung kann plötzlich keine Rede mehr sein, als er eines Tages trotz zahlreicher übler Wettervorboten mit einem kleinen Segelboot in See sticht und sich plötzlich mit einem schweren Sturm konfrontiert sieht. Weitling schafft es nicht mehr rechtzeitig ans Ufer und verliert sein Bewusstsein. Doch die Überraschung könnte nicht größer sein, als er erwacht: Er findet sich als geisterhafter Beobachter im Körper seines 16jährigen Selbst wieder. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, allerdings darf natürlich angemerkt werden, dass die Zeitreise in die 1960er Weitling nicht als dieselbe Person in die Gegenwart entlässt, als die er diese antrat.

420 Minuten ist die ungekürzte Hörbuch-Fassung stark. Doch diese vergehen wie im Flug – und das liegt nicht nur an dem zum Schmunzeln schönen, philosophischen-angehauchten Ausgangsmaterial, sondern auch an Sprecher Gert Heidenreich. Der 1944 geborene Schriftsteller Heidenreich, dessen angenehme Stimme dem ein oder anderen begeisterten Hörer noch aus Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ oder Coelhos „Handbuch des Kriegers des Lichts“ bekannt sein dürfte, verleiht dem Hörbuch eine tolle Atmosphäre. Seine Interpretation des Stoffes fesselt das lauschende Publikum bis zur letztes Sekunde.

 

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