Der sogenannte „Director´s Cut“ als neue Unart der Vielfalt – eine interessante Vorstellung. Verbinden wir nicht den Begriff „Vielfalt“ mit etwas Edlem, etwas Erstrebenswertem? Ist denn Pluralität nicht wunderbar? Die Situation ist schrecklich: statt im Kino eine vollständige, fertige Version eines Films zu sehen, wird bereits im Vorfeld der medialen Berichterstattung (z.B. in Form von Interviews) klar, dass wir es im Kino eigentlich nur mit einem gigantischen Teaser zu tun haben werden. Und tatsächlich wird bereits der wirkliche Umsatz eines Filmes mit DVDs, Video-Tapes und TV-Vermarktungsrechten erzielt (natürlich ist von diversem anderen Fan-Artikeltum einmal abzusehen). Im August 2004 warf der geschätzte Filmanalyst Georg Seeßlen in einem Artikel in der „epd-film“ die Frage auf: „Wann ist ein Film fertig?“ In der Tat eine entscheidende Frage, denn Film bewegt sich auf einen Schnittstellen zwischen dem Recht des Filmschaffenden, „Werk“ zu editieren, den Produzenten, Geld zu verdienen, und dem Recht des Publikums, ein vollständiges und befriedigendes Filmerlebnis zu genießen. Immer öfter, O-Ton Seeßlen, muss man sich vor einem Gespräch über Film fragen: „Moment, haben wir eigentlich den selben Film gesehen?“ Für mich ist der Begriff „Director´s Cut“ untrennbar mit dem Genre Horror verbunden: auf den Filmbörsen lernte man schnell die Lektion, DC bedeutet eigentlich: nicht geschnitten – in einem Klima der ewigen Bevormundung durch die FSK und die Selbstbeschneidung der Studios war der DC die strahlende Messias-Erscheinung für toughe Gorehounds (zumeist auf Laser Disc). Meine erste Erinnerung bzgl. DCs ist leicht zu betiteln: „Aliens“. Ich wäre damals fast vom Stuhl gefallen, als ich herausfand: Es gibt eine längere Fassung (witzigerweise bedeutet DC zumeist: ein Plus an Filmminuten, dabei täte manchem Werk ein kräftiger Scherenschnitt gut!). Wir erleben momentan die Perfektion des DCs – Peter Jackson liefert die „TlotR“-Trilogie in gefälligen Extended-Versions und erfüllt die Herzen der Fans und die Produzenten mit Freude. So kann man, nimmt man alle extra Filmminuten der Special Versions zusammen, schon beinahe von 3,5 Teilen sprechen. Vielleicht muss man sich tatsächlich von der Vorstellung „Film als fertiges Produkt“ trennen: Zudem die Idee des DC schon durchaus bei anderen Medien Eingang gefunden hat. Capcom veröffentlichte von seinem Software-Hit „Resident Evil“ einen DC. Man kann nun rätseln, wann es bei Büchern soweit sein wird, dass in schöner Regelmäßigkeit DCs erscheinen werden. Letztlich ist jedoch immer noch in des Konsumenten Hand, ob und für welche Version er sich wann entscheidet, mag er auch noch so über das langwierige Suchen nach der ihm/ihr passenden Variante zetern – so ist es nun einmal: Vielfalt ist anstrengend.